Freitag

Leseprobe "Michelle und Sirius"

Leseprobe Kapitel 4, Die erste Galaktische Reise

Das Abendessen verlief bedrückt und Wendys Aufmunterungsversuche kamen bei Michelle nicht an. Auch Finn versuchte sein Bestes um Michelle aufzuheitern, doch das Mädchen wollte nicht aufgemuntert werden und reagierte auch nicht, als ihr Vater und Finn die Küche verliessen um die MINNIE1 ein letztes Mal zu überprüfen. Michelle hatte das Gefühl, dass man ihr das Herz rausriss um zu testen, ob ihr Körper auch ohne überleben würde. Und im Moment fühlte es sich nicht so an, als ob er das konnte. Der Golden Retriever hob seinen Kopf und legte ihn auf Michelles Knie. Seine Augen blickten sie so treuherzig an, dass Michelle mühsam Schlucken musste. Sie war drauf und dran loszuheulen und drückte ihren Hund ganz fest an sich.

Die Nacht brach herein und Michelle fühlte sich schrecklich, da der Abschied nahte. Mit einer grossen Tasche kam Professor Maltens aus dem Haus. Darin waren die neuen Schutzanzüge verstaut, die sie womöglich benötigten, denn sie speicherten die Körperwärme und verhinderten, dass sie erfrören, falls sie auf einem Planeten landeten, auf welchem unmenschliche Temperaturen herrschten.
Michelle sass auf der Treppe des Wohnhauses und sah ihrem Vater schweigend zu, wie er die letzten Vorbereitungen zum Abflug machte. Ihr Herz war schwer, da sie sich bald von ihrem geliebten Hund verabschieden sollte. Der Golden Retriever lag ebenfalls bekümmert neben ihr, da er nicht wusste, warum sie so traurig war. Liebevoll stupste er sie mit seiner feuchten Nase an. Das Mädchen seufzte laut und kraulte Sirius unter den Ohren. Dabei baumelte der neue Anhänger, den Michelle an Sirius Halsband befestigt hatte, hin und her. Auf der kleinen, goldfarbenen Plakette war auf der einen Seite ein Herz und auf der anderen eine Weltkugel eingraviert. Diese zwei Symbole bedeuteten, dass Sirius ihr Liebling und ihre persönliche Nummer Eins auf der ganzen Welt, ja sogar im Universum war! Lukas Finn, der gerade aus dem Haus trat, sah den Kummer in Michelles Gesicht. So setzte er sich einen Moment zu ihr auf die Treppe, obwohl er noch einiges zu tun hatte. Er kannte Michelle gut genug, deshalb wusste er, dass sie zu Stolz war, um vor ihm zu weinen. Michelle schniefte kaum hörbar, denn inzwischen konnte sie die Tränen nur noch mühsam zurückhalten. Doch sie schluckte sie tapfer wieder herunter und fragte Finn, wie er mit knapp 23 Jahren schon ein Astronaut sein könne. Finn lächelte sie geheimnisvoll an und seine dunkelblauen Augen blitzten frech auf.
"Als ich hierher zog erzählten mir die Leute vom Dorf allerlei Geschichten über den Professor. Ich beschloss also, mich hier ein wenig umzusehen. Dabei ist mir aufgefallen, wie sonderbar sich dein Vater verhält. Eines Tages, als ich mit dem Fahrrad an eurer Scheune vorbeifuhr, hörte ich ihn laut fluchen. Er warf sein Werkzeug um sich, so wie er es immer tut, wenn etwas nicht klappt", erzählte Finn. "Ich stieg also von meinem Rad und schlich mich zu dem kleinen Scheunenfenster. Ich dachte, ich sehe mal nach. Als dein Vater ins Haus zurückging, schlich ich mich in seine Werkstatt und stand vor einem sonderbaren Wohnwagen. Ich dachte damals noch, es sei ein Wohnwagen, doch es war die zukünftige MINNIE1."
Michelle sperrte Mund und Augen auf. "Du bist in unsere Scheune eingebrochen? Aber Papas Alarmanlage, wie hast du sie ausgetrickst?" Finn grinste.
"Die gab es damals noch gar nicht. Dein Vater hat sie erst auf meinen Rat hin installiert. Ich fand seine MINNIE1 nämlich bemerkenswert."
"Und Papa hat dich dann als Astronaut eingestellt?" wollte Michelle weiter wissen.
"Natürlich nicht", rief Finn aus. "Er wollte mir den Hals umdrehen, da er dachte, jetzt käme alles raus, weil ich bestimmt meinen Mund nicht halten könne. Da machte ich ihm den Vorschlag mich auf seinen ersten Flug mitzunehmen, dafür würde ich natürlich kein Wort über die sensationelle Entdeckung verlieren. Er willigte ein und als ich ihm so nebenbei steckte, dass ich einen Pilotenschein besässe und handwerklich nicht unbegabt war, bauten wir die MINNIE1 zusammen fertig. Nach dem ersten Probeflug war es für mich selbstverständlich, dass ich blieb und ihm weiter half."
Michelle schwieg lange. Dann sagte sie: "Du bist also gar kein richtiger Astronaut!" Abermals schwieg sie, doch dann lächelte sie doch. "Aber fliegen", meinte Michelle dann anerkennend, "das kannst du."

Der Professor gurtete Sirius in seinem speziellen Hundekörbchensitz an. Und Michelle kam, um sich noch einmal von ihrem Hund zu verabschieden. Der Golden Retriever leckte ihr aufmunternd über die Handfläche. Nun schlich sich doch eine Träne die Wange herunter und sie drückte Sirius an sich.
"Es geht nicht, Sirius", flüsterte sie in sein Pelzohr. "Es darf nicht sein, dass wir getrennt werden." Sirius winselte leise, aber Michelle deutete das als Zustimmung.
"Ich bin genau deiner Meinung, Sirius", nuschelte sie und blickte ihn entschlossen an.
Als sie sah, dass ihr Vater und Finn ins Haus zurück gingen um den Proviant zu holen und sich von Wendy zu verabschieden, kam dem Mädchen eine Wahnsinnsidee. Ihre Augen blitzten auf und wenn Sirius ein Mensch anstatt Hund gewesen wäre, hätte er gewusst, dass das Mädchen eine Dummheit vorhatte. Michelle dachte kurz an Wendy, die ihr eine Menge aufregender Dinge versprochen hatte, die sie unternehmen wollten, während ihr Vater auf Geschäftsreise war. Doch dann huschte ein kleines Lächeln über ihr Gesicht und sie gab Sirius einen kleinen Kuss auf die Schnauze. Schnell verschwand Michelle im Frachtraum und versteckte sich hinter den festgeschraubten Kisten. Ihr Herz klopfte wild, als Finn wenig später kam und noch etwas verstaute, sie dabei aber nicht bemerkte. Danach ging er hinaus und verschloss die Tür von aussen. Professor Maltens stieg ebenfalls ein und schnallte sich an. Lukas Finn sass bereits am Steuer und nach dem okay des Professors startete er die Maschinen. Lautlos hob die MINNIE1 ab und schoss hinauf in Richtung Himmel. Der Start war Finn fabelhaft geglückt und der Professor war stolz auf ihn, aber auch auf sich, denn noch nie hatte es einen leiseren Raketenstart gegeben. Das allein war schon ein Erfolg und seinem Startstiller zu verdanken, den er erfunden hatte. Der Ton der durch den Start verursacht wurde, wurde durch den Startstiller so verlangsam, dass er nicht mehr zu hören war und keine neugierigen Leute aufschreckte.
"Das Abenteuer kann beginnen!", sagte er aufgeregt und schaute auf sein immer kleiner werdendes Haus am Waldrand. In diesem Haus durchsuchte Wendy gerade die Zimmer nach Michelle. Ihr schwante Böses, mit Recht!